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Fakten

Jährlich werden in der Schweiz über 600'000 Tiere in Tierversuchen verbraucht. Über 80 Prozent davon sind Labornagetiere wie Mäuse, Ratten, Hamster oder Meerschweinchen. Weiter kommen auch Primaten, Haus- und Nutztiere, Geflügel, Singvögel, aber auch Amphibien und Reptilien zum Einsatz. Die Tierversuchsstatistik des BLV gibt darüber Auskunft.


Von Menschen und Mäusen

Geht es um Tierversuche, steht man im Zwiespalt zwischen möglichem medizinischen Fortschritt und dem in Kauf nehmen von Tierleid. Es stellt sich auch die Frage, ob wir medizinischen Fortschritt um jeden Preis brauchen und ob jeder Zweck alle Mittel heiligt? Von Gesetzes wegen sind Tierversuche verboten, denn „niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten. Das Misshandeln, Vernachlässigen oder unnötige Überanstrengen von Tieren ist verboten“ (Tierschutzgesetz Artikel 4). Jeder Tierversuch muss daher „zur Rechtfertigung“ ein Bewilligungsverfahren durchlaufen, währenddessen der Gesuchsteller, die beratende Tierversuchskommission sowie am Schluss die Bewilligungsbehörde eine Güterabwägung vorzunehmen haben. Je höher die Belastung der Versuchstiere und somit der Schweregrad des Versuches, desto nützlicher muss auch der Erkenntnisgewinn des Versuchs sein. Die gängige Praxis jedoch zeigt, dass Güterabwägungen nur oberflächlich gemacht werden. Der erwartete Erkenntnisgewinn wird in der Regel über das Wohl und das Leben des Versuchstieres gestellt und entsprechend werden nahezu alle Tierversuchsvorhaben bewilligt, sofern sie die übrigen gesetzlichen Bestimmungen erfüllen. Das Tierversuchsgeschäft boomt!


Glaubhaftigkeit von Tierversuchen

Tierversuche werden von einem Grossteil der medizinisch Forschenden nach wie vor als geeignetes Mittel betrachtet, um neue Erkenntnisse über grundlegende Lebensvorgänge zu gewinnen. Diese Sichtweise ist jedoch kritisch zu hinterfragen. Analogieschlüsse und damit verbunden die Heilsversprechen der Forschenden sind wissenschaftlich nur sehr bedingt haltbar und die Aussagekraft von Tierversuchen wird systematisch überbewertet. Die Versuchsdesigns, basierend auf veralteten Standards und unter Ignorierung der Komplexität der Versuchstierbiologie und des Tierverhaltens sind nicht geeignet, wertvolle Resultate zu erhalten. Derart generierte Ergebnisse vermitteln auch eine falsche Sicherheit. Dass negative Resultate in der Regel verheimlicht, sprich nicht publiziert werden, lässt an der Wissenschaftlichkeit solcher Verfahren ebenfalls zweifeln. Diese Heimlichtuerei wird im übrigen von den Forschenden standardmässig gepflegt und man versteckt sich hinter Amts-, Forschungs- und Firmengeheimnissen. Viele Tierversuche werden auch gemacht, weil man so seine Publikationsliste relativ einfach und ohne grosse wissenschaftliche Leistung verlängern kann. Medizinischer Fortschritt lässt sich nachweislich auch ohne den Einsatz von Tieren erzielen. Die Forschung nach Alternativmethoden und komplementären Ansätzen müssten nur im gleichen Mass wie der veraltete Tierversuchsansatz gefördert werden. Zudem hilfreich wäre, wenn der Wissenschaftsjournalismus nicht wie heute üblich Tierversuchsergebnisse unkommentiert weiterverbreitet und damit bloss Hoffnungen schürt, die sich erfahrunsgemäss meist in Luft auflösen.


Mittel zum Zweck

Heute werden im Bereich der Grundlagenforschung am meisten Tiere verbraucht. Über die Hälfte von ihnen dient der Erforschung biologischer Abläufe. Grundlagenforschung findet vor allem an Universitäten statt. Die Entdeckung, Entwicklung und Qualitätskontrolle von Medikamenten und anderen Therapien oder die Prüfung der Giftigkeit von Substanzen (Toxikologie) sind weitere Einsatzgebiete von Versuchstieren. Versuchstiere sind auch in der Aus- und Weiterbildung beispielsweise von Biologinnen oder Medizinern im Einsatz. Bewilligungspflichtige Tierversuche werden nach der Belastung für die Tiere klassifiziert. Dabei werden anhand eines Kataloges der geplanten Manipulationen die Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, Schmerzen, Schäden und die Angst beurteilt. Aufgrund dessen erfolgt die Einteilung der Versuche in die Schweregrade 0 bis 3. Ein Tierversuch mit Schweregrad 0 gilt als nicht belastend, mit Schweregrad 3 stuft man die schwerst belastendenden Versuche ein. Als Schweregrad 1 gelten beispielsweise alle kleineren operativen Eingriffe, welche unter Lokal- oder Allgemeinanästhesie vorgenommen werden (z.B. Hautbiopsien). Tiermodelle für Herz- oder Lungentransplantationen, wo mit schwerem postoperativen Schmerzen und Todesfällen zu rechnen ist, werden als Schweregrad 3 eingestuft. Gleichermassen auch alle toxikologischen Versuche, wo die Anzahl Todesfälle je nach Dosis der getesteten Substanz gemessen wird.


Gezüchtetes Leiden

In den 142 bewilligten Versuchstierhaltungen der Schweiz werden jährlich 1 Million Tiere geboren. Hinzu kommen über 300'000 Import-Tiere. Ein Grossteil dieser Tiere gelangt nie in einen Versuch, beispielsweise wegen falschen Geschlechts oder weil der angezüchtete Gendefekt nicht in der gewünschten Ausprägung vorhanden ist. Diese überzähligen Tiere werden getötet. Genmanipulierte Tiere weisen teilweise einen höchst belastenden Phänotyp auf. Fehlen etwa Gene für ein funktionstüchtiges Immunsystem, müssen die betroffenen Tiere in einer absolut sterilen Umgebung gehalten werden. Diese ist standardisiert und alles andere als tiergerecht. Andere Tiere haben Gene eingepflanzt, die zuverlässig bereits in den ersten Tagen nach Geburt eine Krebserkrankung bewirken. Ein Teil der Tiere verstirbt deswegen bereits kurz nach der Geburt. Auch die übrigen Versuchstiere fristen ein trauriges Dasein in einer kargen Umgebung. Derartige Versuchstierhaltungen sind zwar gesetzeskonform, gleichzeitig aber genügen sie den Anforderungen an Tiergerechtheit bei weitem nicht. Erfüllt werden nicht einmal die minimalen Anforderungen, welche der Gesetzgeber an die Heimtierhaltung stellt. Es fehlen häufig sogar die essentiell wichtigen Dinge wie Einstreu, Nistmaterial bei Nagern oder aber auch Beschäftigungs- oder Auslaufmöglichkeiten für Hunde.


Profis gefordert

Der Gesetzgeber schreibt für alle Versuchsdurchführenden eine fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung vor. Der Zweck der Ausbildung ist die Vermittlung von Fachkenntnissen und praktischen Fertigkeiten, die für einen verantwortungsvollen und schonenden Umgang mit Versuchstieren notwendig sind. In 40 Stunden Theorie und Praxis sollen die Kursteilnehmenden für die tierschutzrelevanten Aspekte ihrer Arbeit sensibilisiert werden. Zusätzlich müssen zukünftige Leiter von Tierversuchen eine erweiterte Ausbildung besuchen, welche die fachgerechte methodische Planung und Durchführung vermitteln soll. Gelehrt werden die Inhalte von verschiedenen Fachkräften, welche sich im Bereich der Forschung auskennen. Somit ist für die fachliche Wissensvermittlung im Bereich Tierversuch weitgehend gesorgt. Hingegen besteht für die tierschutzrelevanten Bereiche Ethologie, 3R und Ethik nach wie vor Ausbaubedarf und diesbezügliche Profis unter den Versuchsleitern sind Mangelware. In Zukunft sollte beispielsweise dem gesetzlichen Anspruch an die Förderung der 3R auch in der Ausbildung von Forschenden Rechnung getragen werden. So können die Wissenslücken insbesondere beim Replacement, also dem Einsatz von Alternativmethoden, geschlossen werden. Kompanima wird auch tierwohlorientierte Weiterbildungsangebote im Bereich Tierversuche und Versuchstierhaltung in sein Programm aufnehmen.


Wissen

Links


Politik

Bericht

Der Bundesrates äussert sich zur Zukunft der Stiftung 3R und zur Förderung und Implementierung von Alternativmethoden